Nachrufe für Prof.Dr. Berndt Schaller

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Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Göttingen

Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Göttingen e.V.
Henri-Dunant-Str. 48
37075 Göttingen
Tel. 0551 – 20 54 746
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In Trauer und Dankbarkeit nehmen wir Abschied von unserem langjährigen Freund und ehemaligen Vorsitzenden

Professor Dr. Berndt Schaller
(geb. 28. August 1930, gest. 1. Mai 2020)

Bereits 1962 wurde Berndt Schaller Mitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Göttingen. Von 1987 bis 2001 hatte er als 1. Vorsitzender die Verantwortung für die Zusammenarbeit vor Ort; zusätzlich war er von 1995 bis 2007 evangelischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Von 1972 bis zu seiner Emeritierung 1995 war er Leiter der Judaistischen Abteilung in der Theologischen Fakultät und ist in Göttingen, landesweit und international für eine angemessene Würdigung der Bedeutung des Judentums eingetreten. Die Verbindung jüdischer und christlicher Glaubens- und Lebenspraxis vor Ort war ihm ein zentrales Anliegen seiner Arbeit. Insbesondere nahm er sich der Dokumentation jüdischer Friedhöfe an; regelmäßig veranstaltete er Führungen auf dem jüdischen Friedhof in Göttingen und Adelebsen. Als ausgewiesener Kenner der jüdischen Lokal- und Regionalgeschichte war er kompetenter Ansprechpartner nach innen und außen, nicht zuletzt für die Familien exilierter jüdischer Bürger*innen, die um Informationen zu Biografie und Schicksal ihrer Vorfahren baten.

Die Wiederbelebung der Jüdischen Gemeinde in Göttingen begleitete er mit Herz und Sachverstand. In Zeiten zunehmender rechtsradikaler und antisemitischer Aktionen in Göttingen rief er gemeinsam mit den Bündnispartnern der GCJZ immer wieder zu Gegendemonstrationen auf und ermutigte seine jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger: „Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Tragen Sie stolz Ihre Jüdischkeit in unsere Stadt. Sie können gewiss sein, in dieser Stadt stehen Sie nicht allein, sondern viele stehen neben, hinter und bei Ihnen.“

Bis zuletzt förderte er die christlich-jüdische Zusammenarbeit in Göttingen in wacher Präsenz als kritischer Mentor und Freund. Für seinen mehrfach verschobenen Vortrag über Juden und Judentum an der Georgia Augusta nahm er noch einmal alle seine Kräfte zusammen, doch wegen der behördlichen Covid19-Beschränkungen durfte er ihn am 18. März leider nicht mehr halten. Auch die Ehrenmedaille der Stadt Göttingen, die ihm im Dezember 2019 zuerkannt worden war, konnte ihm zu diesem Termin nicht mehr öffentlich überreicht werden.

Seine Stimme, seit einem Jahr bereits sehr angegriffen, ist nun endgültig verstummt. Sie wird uns fehlen, doch beim Lesen seiner Texte ist sie für uns weiter vernehmbar.

In tiefer Dankbarkeit und größter Hochachtung behalten wir Berndt Schaller in unserer Erinnerung.

Für den Vorstand der GCJZ Göttingen:

Esther Heling-Hitzemann
(1. Vorsitzende)

Deutscher Koordinierungsrat

DEUTSCHER KOORDINIERUNGSRAT
der Gesellschaften für
Christlich-Jüdische-Zusammenarbeit e.V.
Postfach 1445, 61214 Bad Nauheim
info@deutscher-koordinierungsrat.de
www.deutscher-koordinierungsrat.de

Langjähriger Mitstreiter im christlich-jüdischen Dialog verstorben
Deutscher Koordinierungsrat (DKR) trauert um Prof. Dr. Berndt Schaller

Mit großer Bestürzung haben Präsidium und Vorstand des DKR vom Ableben ihres langjährigen aktiven Mitstreiters Prof. Dr. Berndt Schaller Kenntnis genommen. Unsere Gedanken der Trauer und des Mitgefühls sind bei seiner Frau und seinen Kindern. Berndt Schaller war zwölf Jahre, erst im Vorstand, später im Präsidium des DKR und hat auch mehr als ein Jahrzehnt als Vorsitzender der Buber-Rosenzweig Stiftung gewirkt. Wir danken unserer langjährigen katholischen Präsidentin Eva Schulz-Jander, dass sie für den DKR Berndt Schallers Verdienste, aber auch seine engagierte Persönlichkeit in Worte gekleidet hat. Er lebt fort in seinem Wirken, aber auch in der Erinnerung aller, die das Privileg hatten Berndt Schaller gekannt zu haben oder mit ihm gewirkt zu haben. (Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama, Jüdischer Präsident des DKR)

Zur Person: Berndt Schaller (28. August 1930 – 1. Mai 2020) In Heidelberg geboren, wuchs Berndt Schaller im Ruhrgebiet auf. Nach dem Abitur und wählte er Göttingen als akademischen Standort und Lebensmittelpunkt. Hier studierte er, promovierte 1961 zum Dr. theol. und wurde wissenschaftlicher Assistent (bei Prof. Joachim Jeremias), später Akademischer Rat und Oberrat. 1980 habilitiert für „Judaistik einschließlich ihrer Bedeutung für die neutestamentliche Wissenschaft“, nahm er diverse Gastprofessuren (Heidelberg, Hamburg, Tübingen, Jerusalem) wahr und wurde 1984 in Göttingen zum außerplanmäßigen Professor bzw. Hochschuldozenten ernannt, wo er von 1993–1994 Dekan war. War bereits sein Promotionsthema der Auslegung biblischer Schöpfungsaussagen im antiken Judentum gewidmet, so blieb die Verbindung jüdischer und christlicher Deutungstradition, Glaubens- und Lebenspraxis sein Thema. Dies schlug sich anhand konkreter Untersuchungen vor Ort nieder: Juden und Judentum in Stadt und Universität Göttingen, Synagogen in Göttingen, Der jüdische Friedhof zu Goslar bzw. zu Adelebsen, Benno Jacob: Rabbiner in Göttingen – so die Titel einiger seiner Publikationen.

Schaller war 1985-1997 Mitglied der Kommission Kirche und Judentum der Evangelischen Kirche in Deutschland und von 1998-2007 evangelischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. (Dr. Bettina Kratz-Ritter, Vorstand DKR)

Zum Tod von Prof. Dr. Berndt Schaller – Nachruf von Dr. Eva Schulz-Jander (Katholische Präsidentin des DKR von 2001 bis 2016)

Berndt Schaller ist tot. Umgeben von seiner Frau Käte und den drei Kindern ist er früh morgens am 1. Mai friedlich eingeschlafen. Diese Nachricht hat uns alle tief getroffen. Mit ihm verlieren wir einen Freund und Kollegen, einen Mentor und Lehrer, einen Theologen und unermüdlichen Streiter gegen jegliche Form des Anti-Judaismus in der Christlichen Theologie. Am 28. August 1930 in Heidelberg geboren wuchs Berndt Schaller im Ruhrgebiet auf. Sein Vater Naturwissenschaftler, seine Mutter mit italienischen Wurzeln haben ihn beide geprägt. Er war ein Genießer und schwärmte oft von seinen frühen Italienreisen, der italienischen Küche und Kultur. Die meisten werden wahrscheinlich eher den Wissenschaftler und Theologen kennen. Aber Berndt Schaller hatte viele Seiten, er konnte sich verlieren in der Natur, unternahm lange Wanderungen in der Wüste Israels oder den Bergen Italiens, war ein begeisterter Skifahrer.

Dem Vater zuliebe studierte er zuerst Ingenieurwissenschaften an der ETH Zürich, hiervon blieb ihm die handwerkliche Geschicklichkeit, alles zu reparieren. Die Theologie jedoch war stärker und so kehrte er nach Deutschland zurück, nach Göttingen und studierte Theologie. 1961 promovierte er mit der Dissertation „Untersuchungen über Verwendung und Deutung der Schöpfungsaussagen von Gen. 1,2 im antiken Judentum“ und wurde wissenschaftlicher Assistent bei Professor Jeremias. Sein starkes Forschungsinteresse für das Judentum erweiterte sich zunehmend und führte 1980 zu Habilitation und Lehrbefugnis im Fach: „Judaistik einschließlich ihrer Bedeutung für die neutestamentliche Wissenschaft“. Die Verbindung jüdischer und christlicher Deutungstradition, Glaubens- und Lebenspraxis sollte sein mit wahrer Leidenschaft vertretenes Thema bis zum Ende seines Lebens werden.

Zahlreichen Studierenden hat Berndt Schaller die Bedeutung und den Respekt vor dem Judentum für den christlichen Glauben vermittelt und damit Generationen zukünftiger Theologinnen und Theologen geprägt. Für dieses Thema brannte er und konnte darüber in heftigen Streit, auch mit Kollegen, geraten. Ich erinnere nur an den Göttinger Missionsstreit der späten achtziger Jahre, der Berndt Schaller weit über Göttingen hinaus bekannt machte.

Da Berndt Schaller, wie Franz Rosenzweig, Wissenschaft nicht abgekoppelt vom täglichen Leben denken konnte, lebte er, was er erforschte. Von 1985-1997 war er Mitglied der Kommission Kirche und Judentum der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er engagierte sich in Göttingen in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, deren Vorsitzender er von 1986 bis 2001 war. 1995 wurde er zunächst in den Vorstand des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gewählt und 1998 zu deren evangelischen Präsidenten. Dieses Amt bekleidete er bis 2007. Darüber hinaus war er Vorsitzender der Buber-Rosenzweig-Stiftung von 1998 bis 2010.

Im DKR kreuzten sich unsere Wege und wir konnten elf Jahre, erst im Vorstand, später im Präsidium zusammenarbeiten. Berndt Schaller hat den DKR maßgeblich geprägt. Ihm, dem Sprachkünstler, Sprachgewandten ist es zu verdanken, dass die Urkunden für die Preisträger*innen der Buber- Rosenzweig Medaille einen feierlichen, aussagekräftigen Ton bekamen. Bei Sitzungen, Tagungen und Versammlungen hat er seine Ansichten und Einsichten mit solch großer Überzeugung vertreten, dass unsere Diskussionen dadurch eine neue Tiefe und Substanz erhielten. Schnell denkend, schnell redend konnte er sehr ungeduldig sein, aber nie verletzend. Auch er trug dazu bei, das heutige Erscheinungsbild des DKR zu entwickeln. Und die Rabbiner-Brandt Vorlesung geht wesentlich auf seine Initiative zurück. Als Berndt Schaller 2007 sein Amt als Präsident auf eigenen Wunsch aufgab, tat er dies, um sich stärker der Erforschung der Juden und dem Judentum im Raum Göttingen zuzuwenden. Dies schlug sich in konkreten Untersuchungen nieder. Der jüdische Friedhof zu Goslar bzw. zu Adelebsen, „Juden und Judentum in Stadt und Universität Göttingen“, „Synagogen in Göttingen“, „Benno Jacob: Rabbiner in Göttingen“ – so die Titel einiger seiner Publikationen.

Dem DKR blieb er weiter verbunden. So ließ er es sich nicht nehmen, 2019, schon von Krankheit gezeichnet und mit beschädigter Stimme, ein Grußwort zum 30-jährigen Bestehen der Buber- Rosenzweig-Stiftung zu sprechen. Seine letzten Jahre waren von schwerer Krankheit geprägt und dennoch arbeitete er weiter bis zum Ende. Noch vor drei Wochen erzählte er mir von einem fertigen Vortrag, den er noch halten möchte und einem Buch, für das er sich noch genügend Kraft erhoffe.

Mit ihm verlieren wir einen kreativen und streitbaren, einen politisch entschiedenen und wissenschaftlich ausgewiesenen Kollegen.
Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens.

Bad Nauheim, 5. Mai 2020
Präsidium und Vorstand des DKR

Göttinger Tageblatt vom 09.Mai.2020 ©2020 Göttinger Tageblatt

Kenner des jüdischen Lebens Theologe und Judaist Schaller im Alter von 89 Jahren gestorben

Berndt SchallerFoto: BB

Göttingen. Berndt Schaller, Theologieprofessor und langjähriger Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Göttingen ist im Alter von 89 Jahren gestorben. Der Judaist war durch sein Engagement, an jüdisches Leben in der Region zu erinnern und die Zeugnisse jüdischen Lebens zu erhalten, über die Universität Göttingen hinaus in Stadt und Landkreis Göttingen bekannt.

Nach der Promotion über die Auslegung biblischer Schöpfungsaussagen im antiken Judentum an der Georgia Augusta im Jahr 1961 war Schaller, Jahrgang 1930, als Akademischer Rat und Oberrat an der Theologischen Fakultät tätig. 1980 habilitierte er sich für „Judaistik einschließlich ihrer Bedeutung für die neutestamentliche Wissenschaft“. Bis 1995 war Schaller an der Universität Göttingen tätig.

In seiner Forschung befasste er sich vor allem mit der Geschichte, Literatur und Religion des antiken Judentums und der jüdischen Grundlagen des Neuen Testaments. Seine Studien zu jüdischen Schriften in griechischer Sprache gelten als Standardwerke für Forschung und Lehre. Zudem beschäftigte er sich mit der jüdischen Regionalgeschichte in Niedersachsen und erforschte Antijudaismus und Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart.

So untersuchte Schaller die jüdischen Friedhöfe in Göttingen, Adelebsen oder Bremke. Er bot jahrelang Führungen an, um dabei über die Grabstätten, über jüdisches Leben und jüdischen Glauben zu informieren. Auch seine Publikationen hatten das zum Thema, auch mit Blick auf die Region. Als „eine höchst verwickelte, von Krisen begleitete, mehrfach unterbrochene Geschichte“ beschrieb Schaller in seinem 2006 erschienenen Buch „Synagogen in Göttingen“ die mehr als 700 Jahre dauernde Geschichte jüdischen Lebens in der Stadt.

Schaller engagierte sich jahrzehntelang in der Kommission Kirche-Judentum der Evangelischen Kirche in Deutschland und im Vorstand der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Göttingen (1987 bis 2001). Von 1998 bis 2007 war er evangelischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates dieser Gesellschaften und seit 2003 erster Vorsitzender der Buber-Rosenzweig-Stiftung.

Der Göttinger Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) würdigte Schallers Verdienste um „das Geschichtsbewusstsein und das interreligiöse Verständnis“ der Bürgerschaft. Das jahrzehntelange Engagement von Schaller zeichnete die Stadt Göttingen im Dezember 2019 mit der Ehrenmedaille aus. Am 1. Mai ist Schaller im Alter von 89 Jahren gestorben. Er hinterlässt seine Ehefrau Käte Schaller und drei Kinder.