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Die verschwundenen Grabsteine des Jüdischen Friedhofs in Geismar

von Martin Heinzelmann, Ortsheimatpfleger.

Seit Jahrhunderten liegt der Jüdische Friedhof Geismar am südlichen Ortsausgang, an der Einmündung der Trift in die Hauptstraße. Er ist von einer Hecke umgeben, auf der Rasenfläche stehen ein Gedenkstein und einige Bäume. Grabsteine sind nicht vorhanden. Vor dem Areal befinden sich zwei Informationstafeln, mit denen der Ortsrat Geismar an diesen Ort erinnert.

In diese parkartige Form wurde das Gelände Aller der 60.er Jahre umgestaltet. Über das frühere Aussehen des Friedhofs ist nur wenig bekannt. Er wurde regelmäBig genutzt, die letzte Bestattung fand 1883 statt. Eine Umfassungsmauer ist belegt. Was mit diesem Friedhof während der Nationalsozialisten Diktatur geschah, ist nicht klar. Als sich die Jewish Trust Corporation for Germany Ltd. 1952 nach seinem Zustand erkundigte, erhielt sie vom Gemeindedirektor eine Beschreibung. Demnach war er schon lange völlig verwahrlost, die Mauer eingestürzt und keine Grabmäler mehr vorhanden. Der Mann muss es gewusst haben, hatte er doch als Gemeinde- inspektor noch Anfang 1945 den Friedhof vom Reichsfinanzamt zu kaufen versucht. Über den Verbleib der Grabsteine, mit den Namen der dort Begrabenen, gibt es bisher nur Spekulationen. Wurden sie beim Bau des sogenannten Postbunkers an der Straße Über dem Dorfe mit verwendet? Sind sie lediglich verschüttet, oder liegen sie in der näheren Umgebung des Areals? Auch von Zeitzeugen sind keine eindeutigen Angaben bekannt.

Jetzt ist im Stadtarchiv Göttingen in den Unterlagen der Feldmarkgenossenschaft Geismar eine alte Rechnung gefunden worden (siehe Abdruck). Demnach hat die Baufirma Köster Mitte 1940 Steine vom Judenfriedhof zur Landwehr gefahren. Aber was für welche? Nach den Arbeitsstunden muss es sich um eine größere Fuhre gehandelt haben. Kleinere Arbeiten ließ die Feldmarkgenossenschaft regelmäßig durch einen Arbeiter verrichten. Außerdem verfügte diese Firma über Lkw. Deshalb ist es gut möglich, dass es sich um die verschwundenen Grabsteine gehandelt hat.

Auch nach damaligem Recht wäre das Entfernen der Grabmäler eine Straftat gewesen. Dass es die Gemeinde mit den Rechten der jüdischen Einwohner aber nicht genau nahm, zeigt der spätere Umgang mit diesem Friedhof. Vielleicht war man sich im Jahr 1940, das nationalsozialistische Deutsche Reich befanden sich auf dem Höhepunkt seiner Macht, auch sicher, dass die rechtmäßigen Eigentümer nie mehr zurück kommen würden.

Der Verbringungsort ist mit Landwehr bezeichnet. Dabei handelt es sich allerdings nicht um einen exakt lokalisierbaren Punkt. Vielmehr war die Landwehr eine primitive Befestigungsanlage um die Stadt Göttingen und die angrenzenden Dörfer, wie Geismar. Teilweise ist ihr Verlauf noch heute im Gelände zu erkennen. Sie führte vom Südrand des Geismarer Forsts über die Felder zur Duderstädter Landstraße, etwa beim Windgenerator. Von dort lief sie über die Diemardener Warte weiter nach Südwesten. An der Reinhäuser Landstraße verlief sie dann bis zum Wasserwerk an der Leine. Dieser Teil war aber seinerzeit nicht mehr im Gelände kenntlich. Da sich im Bereich des Windrads schon damals eine Mülldeponie befand, käme diese Stelle als Ort in Betracht. Allerdings ist unklar, was zu der Zeit unter Landwehr verstanden wurde. Möglich wäre auch das Areal um die alte Landwehrschänke an der Reinhäuser Landstraße. Heute ist es ein Hotel, früher war es ein Ausflugslokal mit Biergarten und Haltepunkt der Eisenbahn.

Detail am Rande: 1959 wollte die Gemeinde eine Ecke des Jüdischen Friedhofs abrunden lassen. Damit beauftragte sie wieder die Firma Köster. Es war dann diese Firma, die nachfragte, ob die Baumaßnahme mit den Besitzern abgesprochen sei. Erst nach dieser Frage akzeptierte der Gemeindedirektor, dass er nicht nach eigenem Gutdünken über diesen Friedhof verfügen durfte.

Wo auch immer sich die Grabsteine heute befinden, sie gehören nach wie vor der Jüdischen Gemeinde.

Quellen: Martin Heinzelmann: Für die Ewigkeit? Zur Geschichte des Jüdischen Friedhofs Geismar. Göttingen 2018

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