Fotos: Stadt Göttingen, mit Genehmigung
Ablaufplan:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler!
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Dieser Satz aus dem jüdischen Talmud leitet unser Stolpersteinprojekt in Göttingen. Vor zwölf Jahren wurde auf einem Privatgrundstück der erste Stein verlegt und mit dem heutigen Tag werden es 106 Steine sein, die an die Namen der Menschen erinnern, die einmal mitten unter uns in Göttingen gelebt haben. Zu dieser 9. Stolpersteinverlegung darf ich Sie nun an der dritten Verlegstelle auch im Namen der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit ganz herzlich willkommen heißen.
Wie Sie wissen, gab es bei uns in Göttingen zu Beginn nicht nur Zustimmung, sondern auch Protest gegen dieses Projekt. Nach jahrelangen Diskussionen wurde ein Kompromiss gefunden, der uns erlaubt, Stolpersteine zu verlegen, sofern die Nachkommen der betreffenden Personen ihre Zustimmung dazu geben. Da es aber nicht bei jeder jüdischen Familie Überlebende gegeben hat, deren Nachkommen heute für uns auffindbar wären, ist die Zahl der Stolpersteine in Göttingen deutlich geringer als in anderen Städten. In Braunschweig beispielsweise gibt es über 400 Steine, während wir heute erst die Zahl 100 überschreiten, obwohl die Zahl der Ermordeten weitaus größer ist, wie man auf den Bronzetafeln im nahegelegenen Mahnmal sehen kann.
Ich möchte jetzt an dieser Stelle all den Menschen danken, die dazu beigetragen haben, dass wir uns heute mit den neuen Stolpersteinen an weitere neun Menschen erinnern können:
Mein Dank geht an die Historiker und Historikerinnen für ihre Recherche zu den Biografien - Herrn Kriedte und Herrn Lippert vom Geschichtsverein Göttingen, Herrn Driever von der Geschichtswerkstatt, und ganz besonders Frau Bury vom Max-Planck-Gymnasium, die mit ihrem Geschichtsleistungskurs ins Stadtarchiv gegangen ist und mit ihren Schüler:innen diese Erinnerungsarbeit geleistet hat.
Mein Dank geht an das Team der Stadt Göttingen, allen voran an Frau Kalisch. Sie hat als Leiterin des Stadtarchivs die Arbeit für diese Verlegung koordiniert, gemeinsam mit Herrn Grops vom Kulturamt. Zwar sind wir als Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit offiziell federführend, doch ohne die seit Jahren bewährte Zusammenarbeit mit der Stadt könnten wir die Verlegungen in dieser Form nicht leisten.
Danken möchte ich auch den Paten und Sponsoren, die finanziell für diese neun Stolpersteine aufgekommen sind: In diesem Jahr sind es der Rotaract-Club Göttingen, der Rotary-Club Göttingen und der Rotary-Club Göttingen-Sternwarte, dazu drei Mitglieder des KlezPO-Projektorchesters sowie Herr Kriedte vom Geschichtsverein Göttingen. Für den musikalischen Beitrag bei dieser 9. Stolperstein-verlegung danke ich den Musiker:innen des Max-Planck-Gymnasiums. Und Ihnen allen, die Sie hier stehen, - ganz besonders auch den Schülerinnen und Schülern mit ihren Lehrkräften - danke ich für Ihre Anteilnahme und Ihr Interesse. Sie tragen dazu bei dass diese neun Menschen und ihre Namen nicht vergessen werden.
Ladies and Gentlemen, and dear Students!
“An individual is forgotten not until their name is forgotten.” This sentence from the Jewish Talmud guides our Stolperstein project in Göttingen. Twelve years ago, the first stone was laid on private property and, as of today, there will be 106 stones commemorating the names of people who once lived among us in Göttingen. On behalf of the Society for Christian-Jewish Cooperation, I would like to welcome you to this 9th Stolperstein laying at the third laying site.
As you know, at the beginning there was not only approval but also protest against this project in Göttingen. After years of discussions, a compromise was found that allows us to lay Stolpersteine provided the descendants of the people concerned give their consent. But since not every Jewish family had survivors whose descendants could be found by us today, the number of Stolpersteine in Göttingen is significantly lower than in other cities.
For example, in Braunschweig there are more than 400 stones whereas today we have just exceeded the number 100 although the number of the murder victims is far greater as you can see on the bronze plaques in the nearby memorial.
I would like to take this opportunity to thank all the people who have contributed to the fact that today we can commemorate another nine people by means of the new Stolpersteine:
My thanks go to the historians for their research on the biographies – Mr Kriedte and Mr Lippert from the Göttingen Historical Society, Mr Driever from the Historical Workshop and, particularly, Ms Bury from the Max-Planck-Gymnasium who went to the city archive with her advanced history course and carried out this remembrance work with her students. My thanks go to the team of the City of Göttingen, first of all to Mrs Kalisch. As the head of the city archive, she coordinated the work for this laying together with Mr Grops from the cultural office. Although we as the Society for Christian-Jewish Cooperation are officially in charge, we would not be able to make the layings in this form without the cooperation with the city that has proved to be successful since years.
I would also like to thank the godparents and sponsors who paid the costs for these nine Stolpersteine: This year those are the Rotaract Club Göttingen, the Rotary Club Göttingen and the Rotary Club Göttingen-Sternwarte, as well as three members of the KlezPO project orchestra and Mr Kriedte from the Göttingen Historical Society.
For their musical contribution to this 9th Stolperstein laying I give thanks to the musicians of the Max-Planck-Gymnasium.
And I thank all of you who are standing here – particularly the students and their teachers – for your compassion and your interest. You help to ensure that these nine people and their names will not be forgotten.
Meine Damen und Herren,
im Namen des Geschichtsvereins für Göttingen und Umgebung, der zusammen mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und der Stadt Göttingen dieses Projekt trägt, begrüße ich Sie zur Verlegung zweier Stolpersteine vor der Roten Straße 16.
Wir schreiben das Jahr 2024 und die Ära, in der wir auf die Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zurückgreifen können, um an die Gräueltaten des Dritten Reichs zu erinnern, neigt sich ihrem Ende entgegen. 91 Jahre nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, 86 Jahre nach den Novemberpogromen und 82 Jahre nachdem die letzten jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus unserer Stadt verschleppt wurden, benötigen wir bald andere Erinnerungs- und Gedenkkonzepte.
Wie werden wir in Zukunft Zeichen setzen?
Aus den von Gunter Demnig erstmals Mitte der 1990er Jahren verlegten Stolpersteinen hat sich ein einmaliges Gesamtkunstwerk entwickelt, mit mittlerweile über 110.000 Stolpersteinen in 32 Ländern: das größte dezentrale Mahnmal der Welt!
Stolpersteine erlauben es uns, als Nachfahren der Tätergeneration, ein Zeichen zu setzen. Indem wir die Biografien der damaligen Opfer recherchieren und versuchen mit deren häufig in alle Welt verstreuten Nachkommen oder Verwandten in Kontakt zu treten.
Stolpersteine erlauben es uns, als heutiger Zivilgesellschaft, ein Zeichen zu setzen. Indem wir Gedenkveranstaltungen organisieren, musikalisch und sprachlich begleiten, mit Patenschaften oder durch unsere bloße Anwesenheit unterstützen.
Stolpersteine erlauben es uns, als heute in Göttingen lebenden Menschen, ein Zeichen zu setzen. Indem wir uns vor den damals Ausgegrenzten, Entrechteten, Vertriebenen oder Ermordeten verneigen, allein indem wir ihre Namen, ihre Lebensdaten und ihre Schicksale lesen.
Stolpersteine erlauben es uns, aber auch jedem anderen, ob gewollt oder nicht, gelegentlich und völlig unerwartet damit konfrontiert zu werden, wozu Hass und Hetze, wozu Ignoranz und wozu mangelndes Mitgefühl schlussendlich führen kann.
Meine Damen und Herren,
heute setzen wir ein Zeichen. Indem wir dem größten dezentralen Mahnmal der Welt neun weitere Stolpersteine hinzufügen. Indem wir hier, vor der Roten Straße 16, zwei Stolpersteine für Heinz Meyerstein und Karoline Piterson verlegen.
Ladies and Gentlemen,
On behalf of the Historical Society for Göttingen and its environs which is supporting this project together with the Society for Christian-Jewish Cooperation and the City of Göttingen, I would like to welcome you to the laying of two Stolpersteine in front of Rote Straße 16.
The year is 2024 and the era in which we are able to have recourse to the memories of contemporary witnesses so as to recall the atrocities of the Third Reich is drawing to a close. 91 years after the seizure of power by the National Socialists, 86 years after the November pogroms and 82 years after the last Jewish citizens were deported from our city, we will soon need different concepts of remembrance and commemoration.
How will we set examples in future?
From the Stolpersteine first laid by Gunter Demnig in the mid-1990s a unique work of art has evolved with more than 110,000 Stolpersteine in 32 countries by now: the largest decentralized memorial in the world!
Stolpersteine allow us, as the descendants of the perpetrator generation, to set an example. By researching the biographies of the then-victims and trying to get in touch with their descendants or relatives who are often scattered across the globe.
Stolpersteine allow us, as today's civil society, to set an example. By organizing, and providing musical and linguistic accompaniment to, commemorative events and supporting them with sponsorships or through our mere presence.
Stolpersteine allow us, as people living in Göttingen today, to set an example. By bowing down to those who were excluded, disenfranchised, expelled or murdered at that time, simply by reading their names, their biographical data and their fates.
Stolpersteine allow us, but also anyone else whether they like it or not, to come – occasionally and out of the blue – face to face with what hatred and baiting, ignorance and lack of compassion may eventually lead to.
Ladies and gentlemen,
Today we are setting an example. By adding nine additional Stolpersteine to the world's largest decentralized memorial. By laying here, in front of Rote Straße 16, two Stolpersteine for Heinz Meyerstein and Karoline Piterson.
Karoline Piterson wird als Karoline Rosenthal am 4. September 1851 im thüringischen Geisa geboren. Das wenige, was wir über ihren Lebensweg vor 1938 wissen, klingt wie eine Abenteuergeschichte:
Karoline Rosenthal lernt als junge Frau einen schwedischen Kapitän mit dem Namen Piterson kennen und brennt mit diesem kurzerhand nach Amerika durch. Jahre später kehrt sie „mittellos und völlig zerstört“ zurück und wird von ihrer jüngeren Schwester in Rotenburg an der Fulda aufgenommen. So zumindest beschreibt es ihr Großneffe Heinz Meyerstein (1920-2009), sie selbst hat niemals über ihre Zeit in Amerika oder die Gründe für ihre Rückkehr gesprochen.
1938 lebt Karoline Piterson zusammen mit ihrer Schwester Hedwig Gans und deren Tochter Johanna in der Brotgasse 6 in Rotenburg an der Fulda. Dort muss sie in der Nacht vom 7. auf den 8. November 1938 schwerste Ausschreitungen gegenüber den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern Rotenburg erleben.
Im Dezember 1938 kommt Karoline Piterson zusammen mit ihrer Schwester und Nichte nach Göttingen, wo die drei Frauen bei der Familie von Hedwigs ältester Tochter, Rosa Meyerstein, in der Roten Straße 16 aufgenommen werden.
Nachdem das „Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden“ vom 30. April 1939 die Rechte der jüdischen Mieter aufhebt, wird Karoline Piterson bereits im Mai 1939 zwangsweise in das jüdische Gemeindehaus in der Weender Landstraße 26 einquartiert. Das drei Etagen umfassende Gebäude, einem von sechs sogenannten „Judenhäusern“ in Göttingen, beherbergt von 1939 bis 1942 eine zwischen neun und 26 schwankende, insgesamt 42 umfassende, Bewohnerzahl.
Für die in den „Judenhäusern“ Einquartierten ist schon der Zwangsumzug mit gravierenden Entbehrungen verbunden, müssen sie doch aufgrund des akuten Platzmangels einen Großteil ihrer bis dahin verbliebenen Habseligkeiten zu niedrigsten Preisen verkaufen. Zudem wird das dortige Leben von den Nationalsozialisten bewusst menschenunwürdig gehalten, angefangen bei den widrigen hygienischen und sanitären Zuständen, bis hin zur mangelnden Brennstoff- und Nahrungsmittelversorgung.
Unterstützt durch bescheidene Mittel vom Jüdischen Hilfsverein verbleibt Karoline Piterson insgesamt drei Jahre in Weender Landstraße 26. Dort muss sie die Deportation ihrer Nichte Johanna Gans am 26. März 1942 und keine zwei Wochen später den Tod ihrer Schwester Hedwig Gans am 6. April 1942 erleben.
Ihren jahrelang wichtigsten Bezugspersonen beraubt, wird Karoline Piterson zusammen mit den übrigen Hausbewohnern am 21. Juli 1942 nach Hannover-Ahlem und zwei Tage später in das Sammel- und Durchgangslager Theresienstadt verschleppt. Dort stirbt sie am 21. August 1942 im Alter von 90 Jahren.
Karoline Piterson was born as Karoline Rosenthal in Thuringian Geisa on 4 September 1851. The little we know about her life before 1938 sounds like an adventure story:
In 1938, Karoline Piterson lives together with her sister Hedwig Gans and her daughter Johanna in Brotgasse 6 in Rotenburg an der Fulda. There, she has to experience most serious outrages against the Jewish citizens of Rotenburg during the night from 7 to 8 November 1938.
In December 1938, Karoline Piterson comes to Göttingen together with her sister and niece, where the three women are taken in by the family of Hedwig's eldest daughter, Rosa Meyerstein, in Rote Straße 16.
After the “Law on Tenancies with Jews” of 30 April 1939 has abolished the rights of Jewish tenants, Karoline Piterson is forcibly put up in the Jewish community house in Weender Landstraße 26 in May 1939. From 1939 to 1942, the three-storey building, one of six so-called “Jewish houses” in Göttingen, accommodates a number of residents varying between nine and 26, a total of 42.
For the people accommodated in the “Jewish houses”, the forced movement alone involves great hardship since they have to sell most of their remaining belongings at lowest prices due to the acute lack of space. In addition, the living conditions there are deliberately made beneath human dignity by the National Socialists starting from the adverse hygienic and sanitary conditions right down to the lack of fuel and food supplies.
Supported by modest means from the Jewish Aid Association, Karoline Piterson remains in Weender Landstraße 26 for a total of three years. There, she must witness the deportation of her niece Johanna Gans on 26 March 1942 and the death of her sister Hedwig Gans less than two weeks later on 6 April 1942.
After having been deprived of the key persons most important to her for years, on 21 July 1942 Karoline Piterson, together with the other residents of the house, is deported to Hanover-Ahlem and two days later to the collection and transit camp Theresienstadt. She dies there at the age of 90 on 21 August 1942.
Sehr geehrte Anwesende,
wir stehen heute hier vor dem Haus „Düstere Straße 1“, einem Ort voller Geschichte. Einem Ort, der einst ein Geschäft und vor allem ein Zuhause für eine Familie war, die eng mit der Geschichte Göttingens verbunden ist: die Familie Meininger. Die verblassenden Buchstaben „Gebr. Meininger“ an der Fassade zeugen noch davon. Die Meiningers waren eine alteingesessene und angesehene Familie in Göttingen. Sie betrieben einen Viehhandel, der den Namen „Gebrüder Meininger“ trug. Doch das Haus war nicht nur ein Ort des Geschäfts; es war ein Ort des Zusammenkommens, des Familienlebens und des Zusammenhalts.
Harry Meininger, geboren 1875, und seine Frau Thekla, geboren 1890, führen das Geschäft der Familie gemeinsam mit Harrys Bruder Oskar und seinem Cousin Eugen. Harry, ein Veteran des Ersten Weltkriegs, muss erleben, wie die Gesellschaft sich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zunehmend gegen ihn und seine Familie wendet. Heute wollen wir ihnen im Rahmen dieser Stolpersteinverlegung gedenken. Die Universitätsstadt Göttingen ist schon in den 1920er- und 1930er-Jahren ein Ort, an dem nationalsozialistisches Gedankengut früh Fuß fasst. Bereits 1922 hat die NSDAP hier eine starke Basis, und antisemitische Ideologien breiten sich auch in akademischen und bürgerlichen Kreisen schnell aus. Der erste Zusammenschluss der Göttinger Hitler-Jugend erfolgt bereits 1924. Auch die SA, die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP, findet schnell Unterstützer in der Stadt und an der Universität.
Die Viehhandlung der Gebrüder Meininger schließt 1926, nach Oskars Tod 1920, und in Folge der Inflationsperiode Anfang der Zwanziger. Harry Meininger führt auf dem Betriebsgelände eine Zucht- und Fettviehhandlung weiter, die Anfang 1930 durch die Wirtschaftskrise ebenfalls in finanzielle Schieflage gerät. Durch das Erstarken der NSDAP steht das Unternehmen zusätzlich unter Druck.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30.01.1933 sollte sich das Leben der Göttinger Bevölkerung drastisch ändern.Am 28. März 1933 findet ein organisierter Marsch der SA durch die Göttinger Innenstadt mit Hetzplakaten gegen namentlich genannte jüdische Geschäftsleute statt. Nach der offiziellen Auflösung des Demonstrationszugs bleiben die SA-Männer auf den Straßen und zerschlagen die Schaufensterscheiben jüdischer Läden. In 30 Geschäften und 2 Privatwohnungen gehen zahlreiche Scheiben zu Bruch. Auch hier in der Düsteren Straße 1 wird in dieser Nacht des 28. März 1933 die Fassade großflächig mit Inschriften aus Teer beschmiert. Trotz des Ausmaßes der antisemitischen Ausschreitungen fühlt sich niemand zu einer öffentlichen Protestaktion aufgerufen. Die sogenannte „Göttinger Scherbennacht“ macht sichtbar, wie gespalten die Göttinger Stadtgemeinschaft bereits ist. Trotz dieser Umstände gelingt es Harry Meininger, seine wirtschaftliche Lage zu stabilisieren, auch wenn die Erträge zusammen mit notgedrungenen Teilverkäufen des Familienvermögens nur knapp zum Überleben reichen.
Sein Sohn Ludwig, erschüttert von der wachsenden antisemitischen Stimmung, verbunden mit enormem Druck in der Schule, nimmt sich 1934 im Alter von 14 Jahren das Leben. Dieser Verlust und die ständigen Repressalien durch das Nazi-Regime setzen Harry so sehr zu, dass er 1935 an den Folgen dieser seelischen Belastung verstirbt. Harry und sein Cousin Eugen sterben innerhalb eines halben Jahres, das Familiengeschäft zerbricht endgültig und der Name Meininger erlischt in der Göttinger Viehhandelsbranche.
Thekla Meininger, eine starke und entschlossene Frau, kämpft weiter. Sie versucht für ihr verbleibendes Kind Ilse ein normales Leben zu schaffen, doch die Umstände machen dies zunehmend schwieriger: In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 werden erneut jüdische Geschäfte zerstört und die Göttinger Synagoge vollständig niedergebrannt. Von den ursprünglich fast 500 jüdischen Einwohnern leben im Oktober 1938 nur noch 220 In Göttingen. Diese werden fast ausnahmelos Opfer der Übergriffe durch SS und SA, die in sowohl jüdische Männer als auch Frauen und Kinder ohne Unterschied verhaften. Auch die Wohnung der Familie Meininger wird am 10. November von Parteianhängern gestürmt, die die immer noch überdurchschnittlich gut eingerichtete Wohnung zerschlagen, bis sie schließlich von einem Anwohner gestoppt werden.Darauf folgt nun auch die erzwungene Schließung der von Thekla geführten Vertretung für Wäsche und Waschmittel, die sie seit Harrys Tod in der Wohnung des Familienhauses führt. Thekla flüchtet nach diesem Vorfall nach Aschersleben.
Wohnungen und Geschäftsräume eindringen, die Einrichtungen verwüsten und plündern, und Die Wohnung wird von ihren Schwägerinnen Käthe Meininger, Ehefrau von Oscar Meininger und Else Katz (geb. Meininger) bezogen, auch sie waren von der Reichspogromnacht am 09. November 1938 betroffen, als SS-Männer ihre Wohnung in der heutigen Theaterstraße stürmen und verwüsten.
Käthe Meininger (geb. Weil), führt seit 1925 ein bei der Stadtbevölkerung beliebtes Kaffee- und Schokoladengeschäft, welches bis 1934 ebenfalls in diesem Gebäude (DS 1) beheimatet ist. Anschließend bezieht sie die Wohnung in der Theaterstraße und betreibt dort ihr Geschäft bis zur Enteignung Ende 1938 weiter.
Ab März 1939 wohnt sie gemeinsam mit ihrer Schwägerin Else Katz wieder in der Wohnung in der Düsteren Straße 1. In den folgenden Jahren ziehen auch Kurt Meininger und seine Frau Lucie ein.
Im September 1941, wenige Tage nach ihrem zweiundsechzigsten Geburtstag suizidiert sich auch Else Katz in Folge der Judensternverordnung, durch die sie eine noch stärkere Diskriminierung fürchtet.
Die Deportationswelle erreicht nun auch Göttingen, 1942 beginnt nach der Diskriminierung und Ausgrenzung nun auch die systematische Vertreibung und physische Vernichtung der Göttinger Juden.
Im März 1942 werden Käthe, Kurt und Lucie Meininger zusammen mit mehr als hundert anderen Göttinger Juden ins Warschauer Ghetto deportiert und später für tot erklärt. Thekla Meininger wird 1942 aus Aschersleben ins Warschauer Ghetto deportiert, wo sie verschwindet und später für tot erklärt wird.Theklas Tochter, Ilse Meininger, eine junge Frau mit Träumen und Ambitionen, gelingt 1938 trotz erschwerter Bedingungen die Emigration, so wie insgesamt etwa 280.000 deutschen Juden. Im Alter von 24 Jahren findet sie Zuflucht in Kolumbien, wo sie sich fortan Ilse de Stern nennt. Trotz der Entfernung lässt sie das Schicksal ihrer Familie nicht los. Bis zu ihrem Tod 1961 setzt sie sich für die Erinnerung und die Pflege der Gräber ihrer Eltern und ihres Bruders ein. Die Geschichte der Meiningers ist nur eine von vielen, die sich hier in Göttingen abspielten und ist nicht nur ein Teil der Vergangenheit, sondern eine Mahnung für die Gegenwart und die Zukunft. Dieser Teil der deutschen Geschichte, die Ausgrenzung und der Holocaust, ist tief in unserem kollektiven Gedächtnis verwurzelt und fordert uns auf, Erinnerungen zu bewahren.
Erinnerungskultur dient aber nicht nur der Bewahrung der Vergangenheit, sondern insbesondere der Sensibilisierung heutiger und zukünftiger Generationen für die Bedeutung von Menschlichkeit und Toleranz. In diesem Sinne ist die Erinnerung an den Holocaust für unsere gegenwärtige Gesellschaft
nicht nur ein pflichtgemäßes Erinnern, sondern auch ein bewusster Auseinandersetzungs- und Reflexionsprozess mit unserer gemeinsamen Geschichte. Die Stolpersteine, wie sie heute in vielen Städten Deutschlands verlegt werden, sind Teil dessen. Die kleinen Messingplatten, die vor den ehemaligen Wohnhäusern der Opfer eingelassen werden, erzählen die Geschichten der Menschen, die einst in diesen Häusern lebten. Menschen, die Teil unserer Gesellschaft waren, bevor sie dem Terror des Nationalsozialismus zum Opfer fielen. Die Idee hinter den Stolpersteinen ist, dass wir heute, buchstäblich und symbolisch, über diese Erinnerung „stolpern“ und uns des Schicksals der Menschen bewusstwerden, die einst hier lebten. Sie sollen uns innehalten lassen und nachdenklich machen. Gerade heute muss für ähnliche Entwicklungen sensibilisiert werden. Jeder Versuch von Ausgrenzung oder Gewalt gegen religiöse, ethnische, politische oder sexuelle Minderheiten muss mit allen Mitteln verhindert werden. Seit 2008 wurden in der Stadt zahlreiche Stolpersteine verlegt, die an das Schicksal der ermordeten Göttinger Jüdinnen und Juden erinnern – Menschen, die einst Nachbarn, Freunde oder Kollegen waren, deren Geschichten untrennbar mit den Straßen und Häusern dieser Stadt verbunden sind. Hier werden heute sechs weitere Stolpersteine verlegt, für Else Katz, für Käthe Meininger, für Harry Meininger, für Thekla Meininger, für Ilse Meininger und für Ludwig Meininger. Sie sollen zeigen, wie stark einst jüdische Mitbürger das Stadtleben prägten. Mögen diese Stolpersteine uns dazu bringen, innezuhalten und über die Bedeutung von Freiheit, Gleichheit und Menschlichkeit nachzudenken. So sollen sie uns immer wieder daran erinnern, dasswir diese Werte bewahren und verteidigen müssen, damit die Schrecken der Vergangenheit niemals wieder zur Realität werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Honored guests,
Today, we are standing here in front of the house “Düstere Straße 1”, a place full of history. A place that once was a shop and, first and foremost, a home for a family that is closely linked to the Göttingen history: The Meininger family. The fading letters “Gebr. Meininger” at the front still bear witness to this.
The Meiningers were a long-established and respected family in Göttingen. They ran a livestock trade with the name of “Gebrüder Meininger”. But the house was not just a place of business; it was a place of gathering, family life and cohesion.
Harry Meininger, born in 1875, and his wife Thekla, born in 1890, run the family business together with Harry's brother Oskar and his cousin Eugen. Harry, a veteran of the First World War, has to experience how society increasingly turns against him and his family after the seizure of control by the National Socialists.
Today we want to commemorate them within the scope of the laying of these Stolpersteine.
As early as in the 1920s and 1930s, the university city of Göttingen is a place where Nazi ideas gain a foothold early on. The NSDAP already has a strong basis here in 1922 and anti-Semitic ideologies quickly spread in academic and middle-class circles, too. The first association of the Göttingen Hitler Youth takes already place in 1924. Also, the SA, the paramilitary fighting organization of the NSDAP, quickly finds supporters in the city and at the university.
The Meininger brothers' livestock trade closes in 1926, after Oskar's death in 1920 and as a result of the period of inflation in the early 1920s. Harry Meininger continues to run a breeding and fat cattle trade on the premises which also stumbles into financial troubles at the beginning of 1930 due to the depression. Through the strengthening of the NSDAP the company is subject to additional pressure.
On 28 March 1933, an organized SA march takes place through the Göttingen city center with hate posters against Jewish businessmen mentioned by name. After the official break-up of the protest march, the SA men remain on the streets and smash the windows of Jewish shops. Numerous windows get broken in 30 shops and 2 private homes. Here, too, in Düstere Straße 1, a large area of the front is smeared with tar inscriptions in the night of 28 March 1933. Despite the extent of the anti-Semitic excesses, nobody feels called to organize public protest. The so-called “Göttinger Scherbennacht” (Göttingen Night of Broken Glass) makes it visible to the eye how divided the Göttingen community already is.
Despite these circumstances, Harry Meininger manages to stabilize his economic situation although the income together with the necessity-driven partial sale of family assets is just enough to survive.
His son Ludwig, shaken by the increasingly anti-Semitic atmosphere combined with enormous pressure at school, takes his own life in 1934 at the age of fourteen.
This loss and the permanent repressive measures by the Nazi regime worry Harry to such an extent that he dies from the consequences of this emotional distress in 1935. Harry and his cousin Eugen die within half a year, the family business finally falls apart and the name of Meininger ceases to exist in the Göttingen livestock trade.
Thekla Meininger, a strong and resolute woman, fights on. She tries to create a normal life for her remaining child Ilse but the circumstances make this increasingly difficult: During the Pogrom Night of 9/10 November 1938, Jewish shops are destroyed once again and the Göttingen synagogue is completely burnt to the ground. Of the original population of almost 500 Jewish citizens, only 220 are still living in Göttingen in October 1938. Almost without exception, they fall victim to the assaults by SS and SA who trespass apartments and business premises, devastate and burglarize the furnishings and arrest Jewish men, women and children without distinction.
On 10 November, the apartment of the Meininger family is also stormed by party supporters who dash the apartment – which is still furnished better-than-average – to pieces until they are eventually stopped by a resident.
This is followed by the enforced closure of Thekla's agency for laundry and detergent which she has run in the apartment of the family home since Harry's death. After this incident, Thekla flees to Aschersleben.
Her sisters-in-law Käthe Meininger, wife of Oscar Meininger, and Else Katz (née Meininger) move into the flat; they were also affected by the Pogrom Night on 9 November 1938 when SS men stormed and burglarized their apartment in today’s Theaterstraße.
Since 1925, Käthe Meininger (née Weil) has run a coffee and chocolate shop popular with the townspeople that is also located in this building (DS 1) until 1934.
Subsequently, she moves into the apartment in the Theaterstraße and continues her business there until the expropriation at the end of 1938.
As of March 1939, she lives again in the apartment in Düstere Straße 1 together with her sister-in-law Else Katz. In the years that followed, Kurt Meininger and his wife Lucie moved in, too.
In September 1941, a few days after her sixty-second birthday, Else Katz also takes her own life in the wake of the administrative order on yellow star badges (which Jews were forced to wear) due to which she is afraid of even greater discrimination.
The wave of deportations now has also reached Göttingen and in 1942, subsequent to the discrimination and exclusion, the systematic expulsion and physical extermination of the Göttingen Jews is now started as well.
In March 1942, Käthe, Kurt and Lucie Meininger are deported to the Warsaw ghetto together with more than a hundred other Göttingen Jews and are later pronounced dead.
Thekla Meininger is deported from Aschersleben to the Warsaw ghetto in 1942 where she disappears and is later pronounced dead.
Thekla's daughter, Ilse Meininger, a young woman with dreams and ambitions, manages to emigrate in 1938 despite the difficult conditions, just as a total of around 280,000 German Jews. At the age of 24, she finds refuge in Colombia where she calls herself Ilse de Stern from then on.
Despite the distance, the fate of her family won’t let her go. Until her death in 1961, she stands up for the memory and the care of the graves of her parents and her brother.
The Meiningers' story is just one of many that happened here in Göttingen and is not only a part of the past but a warning for the present and the future.
This part of the German history, the exclusion and the Holocaust, is deeply rooted in our collective memory and requests us to preserve memories.
However, the culture of remembrance does not only serve the preservation of the past but, in particular, the sensitization of contemporary and future generations to the importance of humanity and tolerance. In this sense, remembering the Holocaust is not only a dutiful remembrance for our present society but also a conscious process of dealing with, and reflecting, our shared history.
The Stolpersteine, as they are laid in many cities in Germany today, are a part thereof. The small brass plates that are embedded in front of the former homes of the victims, tell the stories of the people who once lived in these houses. People who were part of our society before they fell victim to the terror of the National Socialism.
The idea behind the Stolpersteine is that today we “stumble” over this memory, literally and symbolically, and become aware of the fate of the people who once lived here. They should make us pause and give us food for thought. Especially today, our awareness for similar developments must be raised. Any attempted exclusion or violence against religious, ethnic, political or sexual minorities must be prevented by all means.
Since 2008, numerous Stolpersteine have been laid in the city which commemorate the fate of the murdered Göttingen Jews – people who once were neighbors, friends or colleagues, whose stories are inextricably linked with the streets and houses of this city. Today, six additional Stolpersteine are being laid here for Else Katz, for Käthe Meininger, for Harry Meininger, for Thekla Meininger, for Ilse Meininger, and for Ludwig Meininger. They should show how strongly Jewish fellow citizens once left their mark on the city life.
May these Stolpersteine make us pause and think about the importance of freedom, equality and humanity. They should remind us again and again that we must preserve and defend these values so that the horrors of the past never become reality again.
Thank you for your attention.
Wir verlegen an dieser Stelle zwei Stolpersteine und zwar für Heinz Meyerstein und Karoline Piterson. Heinz Meyerstein, 1920 in Göttingen geboren, stammte väterlicherseits aus einer Bremker Viehhändlerfamilie. Mütterlicherseits war ihm das Schlossern, so seine im fuldischen Rotenburg gebürtge Mutter, in die Wiege gelegt. Die Meyersteins wohnten hier zusammen mit ihren beiden Söhnen im 1. Stock des Hauses Rote Straße 16. Heinz besuchte zunächst die Albani-Schule und danach die Voigt-Schule, eine Jungenmittelschule. Angesichts der dort seit 1933 herrschenden aggressiven Judenfeindschaft sahen sich seine Eltern 1934 gezwungen, ihn vorzeitig von der Schule zu nehmen. Ein Klassenkamerad, der in Rosdorf wohnende Kurt Rosenbaum, blieb ein halbes Jahr länger; doch auch er musste gehen, weil man ihn, so Heinz Meyerstein 1955, fast umbrachte. Nach seiner Schulzeit begann Meyerstein bei Sartorius mit einer auf 4 Jahre angelegten Feinmechanikerlehre. Auch diese Lehre musste er nach 2 ½ Jahren auf Druck der Deutschen Arbeitsfront abbrechen. Daraufhin zog er im Frühjahr 1938 nach München, wo er
seine Ausbildung in einer jüdischen Lehrwerkstatt fortsetzte. Hier wurde er während des Novemberpogroms festgenommen und in das KZ Dachau verbracht. Erst am 3.1.1939 kam er wieder frei. In seinen 1944 zu Papier gebrachten Erinnerungen schrieb er:
Hier in dieser Umgebung wurde [Heinz] reif. 18 Jahre alt, unerfahren und mit kindlicher Naivität kam er hierher, in zwei Monaten war er verändert, war ernster und reifer geworden. Er hatte zuviel gesehen, mehr, als für einen 18-jährigen gut ist.
Er kehrte nach Göttingen zurück. Inzwischen hatte ihm das Palästina-Amt die nötigen Papiere für eine Auslands-Hachschara in den Niederlanden besorgt. (Unter Hachschara versteht man die Vorbereitung von Juden auf die Besiedlung Palästinas). Am 25.1.1939 verließ Heinz seine Heimatstadt. In den Niederlanden angekommen, wies ihm die einschlägige Hachschara-Organisation zunächst eine Arbeitsstelle auf einem Bauernhof in der Nähe von Zutphen zu. Es folgten weitere Arbeitsstellen, teilweise bei Schmieden und Schlossern, mitunter ganz in der Nähe des hoch im Norden der Provinz Nordholland gelegenen jüdischen werkdorps Wieringermeer. Hier dürfte er die Kontakte geknüpft haben, die es ihm ermöglichen sollten, aus dem deutschen Machtbereich zu fliehen.
Inzwischen waren die Niederlande von Deutschland besetzt und die ersten judenfeindlichen Maßnahmen verkündet worden. Schließlich begannen am 15.7.1942 die Deportationen in den Osten. Unter den ersten Opfern befand sich Heinz Meyersteins jüngerer Bruder Herbert. Heinz hatte ihn über seine Hachschara-Organisation Mitte 1939 in die Niederlande geholt. Anders als Herbert konnte er sich - zunächst durch einen Freistellungsstempel geschützt - der Deportation entziehen. Dank des Kontakts zur Westerweel-Gruppe, einer nach dem niederländischen Widerstandskämpfer Joop Westerweel (1899-1944) benannten Fluchthilfeorganisation, schloss er sich mit gefälschten Papieren einer vierköpfigen Gruppe an, die sich im Mai 1943 zu einem Einsatz als niederländische Zivilarbeiter im Ruhrgebiet auf auf den Weg machte. Hier arbeitete er als Dreher in einer Dortmunder Geschoss-Fabrik, die zum Dortmund-Hoerder Hüttenverein gehörte. Als die Gestapo dabei war, der Gruppe auf die Spur zu kommen, flüchteten die fünf Anfang September Hals über Kopf in die Niederlande und nach kurzem Aufenthalt von dort über Belgien nach Frankreich. In Amsterdam hatte Heinz die Bekanntschaft von Joop Westerweel gemacht. Er war es, der Heinz und einen zweiten über die als besonders gefährlich geltende niederländisch-belgische Grenze brachte. In Frankreich bewegte sich die inzwischen auf mehrere Personen angeschwollene Gruppe mit gefälschten Papieren, die sie als in einem Arbeitsverhältnis zur Wehrmacht stehend auswies. Es ging über Paris – hier traf Heinz Kurt Reilinger (Tarnmame: Nanno; 1917-1945), 1943/44 die zentrale Gestalt der Westerweel-Gruppe in Frankreich - nach Bordeaux. Es folgte ein Zwischenspiel als Waldarbeiter bei einer Firma, die im Auftrag der Organisation Todt arbeitete. Ein erster Versuch, mit Hilfe der Toulouser Sektion der Armée Juive, einer jüdisch-zionistischen Untergrundorganisation, die Pyrenäen zu überqueren, scheiterte Ende Oktober 1943 wegen schlechter Witterungsverhältnisse. Die Westerweel-Gruppe schickte die Flüchtlinge nunmehr, um sie vor einem Zugriff der Gestapo zu bewahren, für zwei Monate zum Maquis ins Massiv Central.
Ein nach der Rückkehr von dort angesetzter zweiter Versuch musste vorzeitig aufgegeben werden. Stattdessen ging es zurück nach Paris. Hierhin überbrachte Reilinger die entscheidende Nachricht: Zurück nach Toulouse. Nach der Ankunft dort begann alsbald das große Abenteuer, organisiert von der Armée Juive: zunächst mit dem Autobus, dann zu Fuß. Sammelpunkt war ein kleiner Bauernhof am Rande der Pyrenäen. Am 28.2.1944 zog die inzwischen auf 32 Personen angewachsene Gruppe los. Nach unendlichen Mühen langte sie am 5.3. in einem spanischen Grenzdorf am Fuße des Mont Valier an. Meyerstein schloss seinen Bericht mit folgenden Worten:
Er war einer der ganz, ganz wenigen Glücklichen, die der mordenden Gestapo entwischt waren. Fünf Tage Kälte, Schnee, Hunger, Mühen und Entbehrungen im Hochgebirge lagen hinter ihm. Hinter ihm lagen alles Grauen und alle Verbrechen, die er in den letzten Jahren erlebt hatte. Und vor ihm lag die Freiheit und der Weg nach Erez Israel.
In Spanien wurde Meyerstein zunächst interniert. In der langen Zeit des Wartens auf ein Schiff, das ihn nach Palästina bringen sollte, beschäftigte er sich mit der Niederschrift der Erinnerungen an seine Flucht. Ende Oktober 1944 war es endlich so weit. Auf dem Schiff einer portugiesischen Reederei verließ er – noch immer unter falschem Namen – Cádiz Richtung Haifa. Dass er überlebte, hatte er in erster Linie der Westerweel-Gruppe und der Toulouser Sektion der Armée Juive zu verdanken.
Die Anfänge in Palästina waren mühsam. Er arbeitete zunächst als Orangenpflücker und dann als Schlosser und Feinmechaniker. Zwischenzeitlich war er Mitglied der Hagana, der jüdisch-zionistischen Untergrundarmee, und danach bis 1949 der israelischen Armee. 1953 gründete er zusammen mit einem jüngeren Teilhaber eine Werkstatt für Mikromechanik, die er bis zu seinem Wechsel in den Ruhestand im Jahre 1985 führte.
Die alte Heimat vergaß er dabei nicht, der Ermordung seiner Eltern, seines Bruders und vieler Verwandter zum Trotz. Mehrfach besuchte er Göttingen, zuletzt noch einmal 2003. Schon 1960 hatte er sich an den Rat mit der dringenden Bitte gewandt, er möge eine Gedenktafel an der Stelle anbringen, wo einst die Synagoge gestanden hatte. Der Rat folgte dieser Bitte. Leider ist die Tafel seit dem Verkauf des DGB-Hauses, an dessen Nordseite sie angebracht war, verschwunden. Ende 2002 meldete sich Meyerstein noch einmal zu Wort. Er wandte sich damals gegen diejenigen, welche die Verlegung von Stolpersteinen in Göttingen verhindern wollten. Jede Art von Erinnerung ist erwünscht, schrieb er. Ich vergesse meine Familie nicht und werde, solange ich lebe, daran erinnern und total gleichgültig auf welche Art. Er starb 2008, kurz bevor seine Erinnerungen in einem Konstanzer Verlag erschienen.
Am Schluss zwei Anmerkungen. Joop Westerweel wurde 11.8.1944 im KZ Vught hingerichtet. Kurt Reilinger überlebte die KZ Buchenwald, Mittelbau-Dora und das KZ auf Schienen in Osnabrück. Im September 1945 kam er in Schweden bei einem Unfall ums Leben.
At this place, we are laying two tripstones, namely for Heinz Meyerstein and Karoline Piterson. Heinz Meyerstein, born in Göttingen in 1920, came from a family of Bremke livestock dealers on his father's side. On his mother's side, he was born into locksmithing – so his mother who was native of Rotenburg in the Fulda region. The Meyersteins lived here together with their two sons on the first floor of the house in Rote Straße 16. Heinz first attended the Albani School and subsequently the Voigt School, a secondary school for boys. In the light of the aggressive hostility towards Jews having existed there since 1933, his parents saw themselves forced to withdraw him prematurely from school in 1934. A classmate, Kurt Rosenbaum who lived in Rosdorf, stayed six months longer but had to leave as well because, according to Heinz Meyerstein in 1955, he was almost killed. After his school years, Meyerstein began a 4-year apprenticeship as a precision mechanic at Sartorius. Under pressure from the German Labor Front, he had to break off this apprenticeship after 2 ½ years as well. He then moved to Munich in the spring of 1938 where he continued his education in a Jewish training workshop. Here he was arrested during the November pogrom and taken to the Dachau concentration camp. He was released not until 3 January 1939. In his memoirs put on paper in 1944, he wrote:
It was here in this environment that [Heinz] acquired maturity. 18 years old, inexperienced and with childlike naivety he came here; in two months he had changed, had become more serious and mature. He had seen too much, more than is good for an eighteen-year-old.
He returned to Göttingen. In the meantime, the Palestine Office had provided him with the papers required for a hachshara abroad in the Netherlands. (Hachshara means the preparation of Jews for the colonization of Palestine). Heinz left his home town on 25 January 1939. When he arrived in the Netherlands, the relevant hachshara organization initially assigned him a job on a farm near Zutphen. This was followed by other jobs, partly at blacksmiths and locksmiths, sometimes at close quarters to the Jewish labor village (werkdorps) Wieringermeer in the far north of the North Holland Province. It was probably here that he made the contacts that would enable him to flee from the German sphere of control.
Meanwhile, the Netherlands had been occupied by Germany and the first anti-Jewish actions had been announced. On 15 July 1942, the deportations to the East eventually began. Heinz Meyerstein's younger brother Herbert was among the first victims. Heinz had brought him to the Netherlands in mid-1939 via his Hachshara organization. Unlike Herbert, he was able – initially protected by an exemption stamp – to elude deportation. Thanks to the contact to the Westerweel Group, an organization for aiding escape named after the Dutch resistance fighter Joop Westerweel (1899-1944), with forged papers he joined a group of four people who set off in May 1943 to work as Dutch civilian workers in the Ruhr district. Here he worked as a lathe operator in a Dortmund bullet factory that belonged to the Dortmund-Hoerder Hüttenverein. When the Gestapo was about to be on the track of the group, the five of them fled head over heels to the Netherlands at the beginning of September and, after a short stay, from there via Belgium to France. In Amsterdam, Heinz had made the acquaintance of Joop Westerweel. It was he who brought Heinz and a second man across the Dutch-Belgian border which was considered particularly dangerous. In France, the group which had meanwhile swollen to several people moved about with forged papers that identified them as being employed by the Wehrmacht. They went via Paris – where Heinz met Kurt Reilinger (cover name: Nanno; 1917-1945), the central figure of the Westerweel-Group in France in 1943/44 – to Bordeaux. An interlude followed as a forestry worker at a company working on behalf of the Organization Todt. At the end of October 1943, a first attempt to cross the Pyrenees with the help of the Toulouse section of the Armée Juive, a Jewish-Zionist underground organization, failed due to bad weather conditions. The Westerweel-Group now sent the refugees to the Maquis in the Massif Central for two months so as to protect them from being caught by the Gestapo.
After their return, a second attempt was made from there but had to be abandoned prematurely. Instead, they went back to Paris. It was here that Reilinger delivered the crucial message: back to Toulouse. After their arrival there, the big adventure soon began, organized by the Armée Juive: first by bus, then on foot. The meeting place was a small farm on the edge of the Pyrenees. On 28 February 1944, the group which had meanwhile increased to 32 people, set off. After tremendous pains, they arrived in a Spanish border village at the foot of Mont Valier on 5 March. Meyerstein concluded his report with the following words:
Meyerstein was initially interned in Spain. During the long wait for a ship to take him to Palestine, he occupied himself with the transcription of the memories of his escape. At the end of October 1944, the time had finally come. He left – still under a false name – Cádiz for Haifa on the ship of a Portuguese shipping company. He owed the fact that he survived primarily to the Westerweel-Group and the Toulouse section of the Armée Juive.
The beginnings in Palestine were troublesome. He first worked as an orange picker and then as a locksmith and precision mechanic. Temporarily, he was a member of the Hagana, the Jewish-Zionist underground army, and afterwards of the Israeli army until 1949. In 1953, together with a younger partner, he founded a workshop for micromechanics which he ran until his retirement in the year 1985.
Despite the murder of his parents, his brother and many relatives, he never forgot his old home country. He visited Göttingen on a number of occasions, finally again in 2003. As early as 1960, he had approached the city council with the urgent request for a memorial plaque to be erected at the place where the synagogue had once stood. The city council fulfilled this request. Unfortunately, the plaque has disappeared since the sale of the DGB building where it had been installed at its northern side. Meyerstein spoke up once again at the end of 2002. At that time, he opposed those who wanted to prevent the laying of Stolpersteine in Göttingen. All forms of commemoration are welcome, he wrote. I will not forget my family and will commemorate them for as long as I live no matter in what way. He died in 2008, just before his memoirs were published by a Constance publishing house.
Two remarks at the end. Joop Westerweel was executed in the concentration camp Vught on 11 August 1944. Kurt Reilinger survived the concentration camps Buchenwald and Mittelbau-Dora and the concentration camp on rails in Osnabrück. In September 1945, he died in an accident in Sweden.
Wir stehen heute nach acht Jahren erneut vor dem Haus in der Oberen Masch-Straße Nr. 10, dem jüdischen Gemeindewohnhaus bis 1942. Hier liegen bereits Stolpersteine für Fanny und Cäsar Asser sowie die Familie des Erich Meyerstein, dem wir heute gedenken. Warum stehen wir heute wieder vor diesem Haus? Bis zum Jahre 2016 wurden in Göttingen nur Steine für die ermordeten Opfer des Holocaust verlegt. Das änderte sich 2018 mit den Stolpersteinen für die Familien Hahn, Meininger und Silbergleit. Ab diesem Jahr wurden auch jüdische Mitbürger einbezogen, denen die Flucht glückte und die emigrieren konnten. Darum verlegen wir heute einen Stolperstein für:Erich Meyerstein
Erich wurde am 14. August 1923 als Sohn des Viehhändlers Hugo Meyerstein und seiner Frau Paula in Göttingen geboren. Sein Vater übersiedelte 1913 nach Göttingen. Dieser hatte zuvor, ebenso wie sein Bruder Siegfried, bei seinem Vater Magnus L. Meyerstein, in Bremke als Viehhändler gearbeitet. Dieser Broterwerb war nicht untypisch für deutsche Juden in Landgemeinden. Er resultierte aus vielfältigen Restriktionen, die deutschen Juden eine freie Berufswahl unmöglich gemacht hatten. Gewerbefreiheit in Preußen und gesetzliche Gleichstellung mit der Reichsgründung 1871 hoben diese auf, bedeuteten aber nicht, dass Familientraditionen damit aufgehoben waren.
So führte sein Vater Hugo Meyerstein dann auch eine Viehhandlung in der Roten Straße. 1919 heiratete er Paula Jaretzki aus Posen. Das Ehepaar hatte drei Söhne und eine Tochter. Finanzielle Schwierigkeiten führten zu mehreren Umzügen der Familie innerhalb der Stadt. Erichs Vater verlor nach der Wirtschaftkrise Ende der 1920er Jahre durch einen Offenbarungseid seine Geschäftsfähigkeit. Deshalb wurde die Viehhandlung 1931 auf den Namen seiner Mutter, Paula Meyerstein, weitergeführt. Der ab 1933 ausgeübte Druck auf Juden im Wirtschaftleben führte zunächst zu Zwangsversteigerungen von Hugo Meyersteins Immobilien in der Roten Straße. Die Familie zog in dieser Zeit um in die Obere Maschstraße 10. Am 1. Januar 1937 wurde der Betrieb der Viehhandlung ganz eingestellt.
Erich Meyerstein erlebte seine frühe Kindheit in der Roten Straße 33. Sein Schulbesuch endete nicht wie der seines 10 jährigen Bruders Georg in der Lutherschule im November 1938:
„Am Morgen nach der ‚Reichskristallnacht‘ betrat, wie ein ehemaliger Klassenkamerad berichtet, der zehnjährige Georg Meyerstein verspätet, bleich und übernächtigt sein Klassenzimmer in der Lutherschule. Sein Lehrer forderte ihn auf, wieder nach Hause zu gehen, und gab ihm noch auf dem Weg mit, dass er auch nicht mehr wiederzukommen brauche.[…]“
Mit dem Erlass des Reichsministers für Wissenschaft und Erziehung Rust am 15. November 1938 wurde dann allen jüdischen Schülerinnen und Schülern der Schulbesuch untersagt. Dort heißt es: dass „nach der ruchlosen Mordtat von Paris einem deutschen Lehrer und keiner Lehrerin mehr zugemutet werden [kann], an jüdische Schulkinder Unterricht zu erteilen. Auch versteht es sich von selbst, daß es für deutsche Schüler und Schülerinnen unerträglich ist, mit Juden in einem Klassenraum zu sitzen.“ Gemeint ist hier das Attentat des 17-jährigen Juden Herschel Grynspan auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath am 7. November in Paris.
Erich Meyerstein ging zu dieser Zeit bereits nicht mehr zur Schule. Um das Einkommen der Familie sicherzustellen, arbeitete der 15-Jährige 1938 wie sein Bruder Ludwig und sein Vater bei Göttinger Baufirmen.
Nach dem Novemberpogrom 1938 wurden sein Vater und er verhaftet und in das Gerichtsgefängnis Reinhausen gebracht. Mit Unterstützung einer Hilfsorganisation wurde für Erich Meyerstein eine Ausbildungsstelle in England gefunden, so dass er im Januar 1939 dorthin emigrierte.
Der Preis für die Rettung des 16-jährigen Erich war die Trennung von seiner Familie. Ob es ihm gelang, auf irgendeine Weise den Kontakt zu ihr aufrechtzuerhalten, ist ungewiss. Sein 51-jähriger Vater Hugo, seine 52 jährige Mutter Paula, sein 21-jähriger Bruder Ludwig ebenso wie sein 14-jähriger Bruder Georg wurden am 26. März 1942 zunächst ins Sammellager Hannover-Ahlem gebracht und anschließend über Trawniki in das Warschauer Ghetto deportiert. Sie starben entweder im Warschauer Ghetto oder wurden mit den anderen Überlebenden des Ghettos in Treblinka ermordet. Seine Schwester Hertha, die bereits 1929 nach Schlesien übersiedelt war, überlebte den Holocaust.
In England nannte Erich sich Herman Eric Marston. Er starb mit 67 Jahren im Oktober 1990 in Enfield, Greater London.
Erich Meyerstein, der den größten seines Lebens Herman Eric Marston hieß, ist ein Beispiel für die zahllosen Schicksale deutscher Juden, über die kaum etwas bekannt ist. Wir wissen, wo und unter welchen Umständen er aufwuchs. Über sein Leben selbst wissen wir nur wenig, aber - im Unterschied zu seinen Eltern und seinen Brüdern - konnte er ein Leben leben.
Quellen:
U. Schäfer-Richter, J. Klein: Gedenkbuch. Die jüdischen Bürger im Kreis Göttingen 1933–1945, Göttingen 1992, S. 173.
Stolpersteine für Familie Meyerstein (Paula, Hugo, Ludwig, Georg), Obere Maschstraße 10, verlegt am 10. Februar 2016, Text: Schüler/innen des Otto-Hahn-Gymnasiums (OHG) Göttingen.
After eight years, we are today standing in front of the house Obere-Masch-Straße No. 10 – the Jewish community house until 1942 – once again. There are already Stolpersteine here for Fanny and Caesar Asser as well as for the family of Erich Meyerstein who we commemorate today. Why do we stand in front of this house again today? Until the year 2016, only stones for the murdered victims of the Holocaust were laid in Göttingen. In 2018, this was changed by the Stolpersteine for the families Hahn, Meininger and Silbergleit. From that year on, Jewish fellow citizens were also included who succeeded in fleeing and who were able to emigrate. This is why today we lay a Stolperstein for:
Erich Meyerstein
Erich was born in Göttingen on 14 August 1923 as son of the livestock dealer Hugo Meyerstein and his wife Paula. His father moved to Göttingen in 1913. Like his brother Siegfried, he had previously worked for his father Magnus L. Meyerstein as a livestock dealer in Bremke. This way of earning a living was not unusual for German Jews in rural communities. It resulted from various restrictions that had made it impossible for German Jews to choose their profession freely. With the foundation of the German Reich in 1871, freedom of trade in Prussia and legal equality lifted these restrictions but did not mean that family traditions were abolished thereby.
So, his father Hugo Meyerstein also ran a livestock business in the Rote Straße. In 1919, he married Paula Jaretzki from Posen. The couple had three sons and one daughter. Financial difficulties led to the family moving several times within the city. After the depression at the end of the 1920s, Erich's father lost his legal capacity due to an oath of disclosure. Therefore, the livestock business was continued in 1931 in the name of his mother, Paula Meyerstein. The pressure exerted on Jews with regard to economic activities as from 1933 at first resulted in the forced sale of Hugo Meyerstein's real estate in the Rote Straße. During that time, the family moved to Obere-Masch-Straße 10. On 1 January 1937, the livestock business was completely closed.
Erich Meyerstein spent his early childhood in Rote Straße 33. His school years did not end like those of his 10-year-old brother Georg at the Luther School in November 1938: “On the morning after the “Crystal Night” the ten-year-old Georg Meyerstein entered – as reported by a former classmate – his classroom at the Luther School late, pale and bleary-eyed. His teacher asked him to go home again and gave him something to take along, namely, that he didn't need to come back. By the decree of the Reich Minister for Science and Education Rust on 15 November 1938, all Jewish pupils were then prohibited from attending school. It says there that: “after the nefarious murderous deed in Paris, it can no longer be demanded from a German teacher to teach Jewish schoolchildren. It also goes without saying that it is unbearable for German pupils to sit in a classroom together with Jews.” What is meant here is the attempt on the German diplomat Ernst vom Rath’s life made by the 17-year-old Jew Herschel Grynspan in Paris on 7 November.
Already at this time, Erich Meyerstein did no longer attend school. In order to ensure the family's income, the 15-year-old worked for Göttingen construction companies in 1938, and so did his brother Ludwig and his father.
After the November pogrom 1938, his father and he were arrested and taken to the Reinhausen court prison. With the support of an aid organization, an apprenticeship place in England was found for Erich Meyerstein and he emigrated there in January 1939.
The price for the rescue of the 16-year-old Erich was the separation from his family. It is uncertain whether he managed to maintain contact with them in one way or another. His 51-year-old father Hugo, his 52-year-old mother Paula, his 21-year-old brother Ludwig and his 14-year-old brother Georg were first taken to the Hanover-Ahlem collection camp on 26 March 1942 and then deported to the Warsaw ghetto via Trawniki. They either died in the Warsaw ghetto or were murdered in Treblinka with the other survivors of the ghetto. His sister Hertha who had already moved to Silesia in 1929 survived the Holocaust.
In England, Erich called himself Herman Eric Marston. He died at the age of 67 in Enfield, Greater London, in October 1990.
Erich Meyerstein, who was called (s.link:) Herman Erich Marston for most of his life, is an example of the innumerable fates of German Jews about who scarcely anything is known. We know where and under which circumstances he grew up. We know little about his life itself but – in contrast to his parents and his brothers – he was able to live a life.
Sources:
U. Schäfer-Richter, J. Klein: Memorial Book. The Jewish Citizens in the Göttingen District 1933-1945, Göttingen 1992, p. 173.